KI in der Transportindustrie: Was hat Predictive Maintenance auf Lager?

Studien zeigen: Transportunternehmen verschwenden etwa die Hälfte des für die Wartung der Anlagen eingeplanten Budgets, weil sie auf eine traditionelle Vorgehensweise setzen. Durch den Umstieg auf KI-basierte vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) können Transportunternehmen nicht nur Geld sparen, sondern auch Ausfallzeiten von Fahrzeugen reduzieren und die Zufriedenheit von Kunden und Fahrern erhöhen.

Die Transportindustrie investiert bereits jetzt massiv in künstliche Intelligenz. Im Jahr 2017 betrug der weltweite KI-Markt in diesem Sektor 1,4 Milliarden US-Dollar. Bis 2023 wird der KI-Markt im Transportsektor voraussichtlich auf 3,5 Milliarden US-Dollar anwachsen. Ein weiterer Grund, den Einsatz von KI- und ML-Lösungen in Betracht zu ziehen: Transport und Logistik gehören zu den Branchen, die davon besonders stark profitieren können.

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Was ist Predictive Maintenance?

Bei einem traditionellen Ansatz werden Instandhaltungsmaßnahmen in regelmäßigen Zeitabständen nach vorgeschriebenen Kriterien der Hersteller durchgeführt – unabhängig vom Zustand der Anlagen. Alte Teile werden ersetzt, auch wenn sie immer noch funktionstüchtig sind. Solche zeitorientierte Wartung ist jedoch nicht immer die beste Wahl.

Das Problem dabei ist, dass andere relevante Faktoren nicht berücksichtigt werden. Reale Betriebsbedingungen können sich von den Erwartungen des Herstellers unterscheiden. Infolgedessen gehen einige Teile schneller kaputt. Andere werden jedoch weniger beansprucht und könnten länger als vorgeschrieben eingesetzt werden. Eine Studie der ARC Advisory Group ergab, dass nur 18 % der Anlagen aufgrund von alterungsbedingten Schäden ausfallen. Die übrigen 82 % der Störungen werden durch andere Faktoren verursacht.

Predictive Maintenance (PdM) bedeutet, den Gesundheitszustand einer Maschine zu analysieren und somit festzustellen, ob sie repariert werden muss. Um Anlagen im Detail zu untersuchen, installieren Wartungstechniker Sensoren, die Vibrationen, Temperatur und andere Parameter messen.

Predictive Maintenance – Anfangs eine Herausforderung

Anfangs war es teuer, viele Sensoren mit Asset-Management-Software zu verbinden. Dies war nur für unternehmenskritische Anlagen vorgesehen. Bei anderen mussten Techniker die Sensordaten sammeln. Dieser Ansatz hat mehrere Nachteile:

  • Das Vorgehen ist arbeits- und zeitaufwendig
  • Zwischen den Datenerhebungsrunden konnte es zu Fehlern kommen
  • Es gab keinen Echtzeit-Überblick über die Leistungsdaten der Maschinen
  • Schwer zugängliche Teile der Ausrüstung wurden nicht untersucht
  • Techniker führten manuelle Analysen durch, was fehleranfällig war

Das Erfolgsrezept von Predictive Maintenance

Predictive Maintenance, wie wir sie heute kennen, entstand mit der vierten industriellen Revolution. Sie basiert auf datengesteuerten Entscheidungen und Echtzeit-Maschinenüberwachung. Die folgenden Faktoren erleichtern die Einführung von PdM:

  • Die Verbreitung der drahtlosen Konnektivität, die wiederum das Internet der Dinge vorantreibt
  • Fortschritte im Bereich KI
  • Cloud Computing ist jetzt sicher, robust und kostengünstig

IoT-Sensoren übertragen Anlagendaten in Echtzeit. KI-Algorithmen untersuchen diese Daten und identifizieren abweichendes Verhalten. Abweichendes Verhalten ist ein Hinweis darauf, dass eine Komponente bald ausfallen wird. Durch eine frühe Defekterkennung können Anlagenbesitzer die Wartung effizient planen und Ersatzteile rechtzeitig auf Lager nehmen.

Laut McKinsey reduziert Predictive Maintenance die Stillstandszeiten von Anlagen um 30-50 % und erhöht deren Lebensdauer um 20-40 %.

Predictive Maintenance mit KI-Funktionen in der Transportindustrie

Der traditionelle Ansatz im Fuhrparkmanagement bestand darin, die Fahrzeuge ca. alle 6000 Kilometer  zur regelmäßigen Wartung aus dem Betrieb zu nehmen, was oft unnötig war. KI-basierte vorausschauende Wartung ermöglicht es den Eigentümern, sich für oder gegen eine Reparatur auf der Grundlage des aktuellen Fahrzeugzustands zu entscheiden. Dadurch werden Kosteneinsparungen gegenüber der routinemäßigen vorbeugenden Wartung erzielt. Kein Wunder, dass Predictive Maintenance in der Transportindustrie immer beliebter wird.

„Unser Ziel ist es, den Verschleiß und auftretende Probleme zu erkennen, bevor sie entstehen. Wir werfen sozusagen einen Blick in die Zukunft – mithilfe von Daten, Algorithmen und Messwerten.“ Mathias Mayer, Tech Hub Data Driven Production am Audi-Standort Neckarsulm

KI-Funktionen in dynamischen Dashboards dienen dazu, wiederkehrende Probleme und Fahrer mit den problematischsten Fahrstilen zu erkennen. Aufgrund dieser Daten können Wartungstechniker Prioritäten setzen und entscheiden, welche Maschinen bei der Wartung Vorrang haben. 

KI-Algorithmen in der Logistikbranche können außerdem Techniker bei der Entwicklung von normativen Wartungsplänen unterstützen.

„So erstellen wir für jeden Kunden ein anlagenbezogenes Wartungskonzept. Denn die Daten werden von uns automatisch qualifiziert, interpretiert und zu aussagekräftigen, praxistauglichen Informationen umgewandelt, wodurch die Arbeit der Service-Mannschaft optimiert und gesteuert wird.“ Florian Wittmann, integriert ODC-Systeme für Logistik-Generalunternehmer WITRON

Einsatzkontexte für Predictive Maintenance

Auch wenn die vorausschauende Instandhaltung noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es einige überzeugende Beispiele für künstliche Intelligenz in der Logistik und im Transportwesen.

Uptake hilft seinen Kunden, ungeplante Wartung zu vermeiden

Uptake ist ein industrielles KI-Softwareunternehmen, das Kunden aus der Logistik- und Transportbranche bedient. Es hat mit den größten Flotten Nordamerikas zusammengearbeitet und gibt an, ungeplante Wartungen seiner Kunden um 7-10 % und die Kraftstoffkosten um 2-3 % reduziert zu haben. Uptake nutzt Telematikdaten (z.B. Startspannung der Batterie), die von LKWs übertragen werden, und kombiniert sie mit Kontextinformationen (z.B. Wetter- und Verkehrsdaten) und historischen Flottendaten.

Das Unternehmen verarbeitet all diese Daten mit seinen KI-Modellen, um den Fahrzeugzustand zu ermitteln und mögliche Fehlfunktionen in der Zukunft vorherzusagen. Fuhrparkmanager werden im Zeitraum von zehn Tagen bis zu einem Monat über einen möglichen Ausfall informiert. Infolgedessen können sie entscheiden, ob sie das Problem sofort angehen oder den Fahrer seine Fahrt sicher beenden lassen und sich später mit der Warnung befassen.

Trenitalia senkt Wartungskosten durch Monitoring der Züge

Trenitalia ist der wichtigste Bahnbetreiber Italiens. Das Unternehmen setzte ein dynamisches Wartungsmanagementsystem ein, um die Wartung seiner Züge zu optimieren. Dieses Wartungsmanagementsystem kombiniert IoT, KI für Transport und Logistik und In-Memory-Computing.

Vor dieser Initiative wurden die Züge in einem festgelegten Zyklus nach dem Erreichen einer bestimmten Laufleistung gewartet. Um unnötige Werkstattbesuche und unerwartete Bruchschäden zu minimieren, hat das Unternehmen Predictive Maintenance für die essentiellen Bauteile seiner Schienenfahrzeuge angewandt. Dadurch können die Techniker ihre Flotte rund um die Uhr überwachen, Bestandsmanagement verbessern und Instandhaltungskosten um bis zu 8 % senken.

IoT-Maintenance bei der Deutschen Bahn

Wie eines der größten Unternehmen, die Deutsche Bahn, seine Wartung mithilfe industrieller IoT-Lösungen optimiert, hat unser Geschäftsführer der europäischen Dependance von Softeq, Benjamin Groiß, herausgefunden. Sein ausführliches Interview mit Simon Giovanazzi, dem Geschäftsführer der infraView GmbH, der Wartungstochter der Deutschen Bahn, lesen Sie hier.

Vorteile von KI in Transport und Logistik:

KI automatisiert Analysen

KI nimmt den Fuhrparkunternehmen die Last der Datenanalyse ab und bietet nützliche Erkenntnisse.

Es gibt 17 000 Fehlercodes, die über den J1939-Anschluss übertragen werden können, und jeder einzelne könnte bis zu 25 verschiedene Ausfallmodi anzeigen. Die KI fügt alle Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammen, um verwertbare Erkenntnisse zu erhalten. Braden Pastalaniec, Head of Fleet AI bei Uptake

KI reduziert Stillstandszeiten

Bei einigen Fuhrparkbetrieben entspricht die Ausfallzeit der Fahrzeuge einem Umsatzverlust von 448-760 US-Dollar pro Tag. Unternehmen können dies erheblich verringern, indem sie künstliche Intelligenz in ihre Transportsysteme integrieren und LKW-Daten analysieren, um potenzielle Fehlfunktionen zu erkennen. Auf diese Weise kann die kilometerbezogene Wartung gänzlich entfallen. 

KI minimiert unnötigen Kraftstoffverbrauch

Richtige Fahrzeugwartung spart Kraftstoff. Ein KI-Logistiksystem kann dabei helfen, Druckunterschiede zwischen Ein- und Auslass zu erkennen, die bei verstopften Filtern auftreten können. Auf diese Weise hat der Fahrzeugbesitzer die Möglichkeit, den Filter auszutauschen, bevor das Überwachungssystem des Fahrzeugs Diagnostic Trouble Codes (DTC) sendet.

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Predictive Maintenance einsetzen: Erste Schritte

Wenn Sie davon überzeugt sind, dass die Integration der KI-basierten vorausschauenden Wartung in Ihr Logistiksystem zu Zeit- und Kosteneinsparungen führt, dann gehen Sie wie folgt vor:

Verschiedene Arten von Daten sammeln

Zu Beginn installieren Sie Sensoren am Bordcomputer Ihrer Fahrzeuge, um Telematikdaten, z.B. starkes Bremsen oder Beschleunigen, Kraftstoffverbrauch und Leerlaufzeiten, zu erfassen. Beachten Sie, dass Sie für eine umfassende Analyse auch kontextbezogene Daten wie Wetterbedingungen benötigen. Behalten Sie außerdem den Überblick über die bereits durchgeführten Wartungsarbeiten und deren Kostenstruktur.

Flexible Cloud-Technologien zur Datenspeicherung verwenden

Lastkraftwagen bestehen aus vielen Teilen von verschiedenen Herstellern. Sie erzeugen etwa vier Gigabyte Daten pro Tag, die nur schwer zu speichern und abzurufen sind. Eine flexible Cloud-Architektur kann bei Bedarf Integration von Drittanbieterdiensten erleichtern. Cloud Computing wiederum kann dabei helfen, riesige Datensätze zu verarbeiten und von überall und jederzeit auf Daten zuzugreifen.

Das neue System mit anderen Unternehmensanwendungen integrieren

Integrieren Sie das neue Tool in Ihr bestehendes Enterprise Asset Management (EAM) und Data Warehouse, um eine einheitliche Sicht auf Ihre Angelegenheiten zu schaffen und den Workflow zusammenhängender Aktivitäten in Gang zu setzen.

Benutzerfreundliche Dashboards einbauen

Da vorausschauende Wartungssysteme in der Regel enorme Datenmengen enthalten, ist es sinnvoll, eine visuelle Darstellung hinzuzufügen. Mithilfe eines Dashboards mit anpassbarer Funktionalität können Flottenmanager die Daten anzeigen, an denen sie zu einem bestimmten Zeitpunkt interessiert sind. Es lohnt sich, über eine plattformübergreifende Darstellung nachzudenken, damit die Mitarbeiter auf ihren Arbeitscomputern und Smartphones auf die Daten zugreifen können.

Die neue Kultur fördern

Predictive Maintenance bringt Veränderungen in der Transportbranche mit sich und die Manager müssen sicherstellen, dass alle an Bord sind. Seit den frühen 1900er Jahren, als der erste Dieselmotor in einen LKW eingebaut wurde, folgen die Fahrer dem gleichen Muster: Wenn ein Lastwagen nicht mehr funktioniert, wird er abgeschleppt und in einer Werkstatt repariert. Ihre Denkweise sollte sich ändern, damit sie die Idee akzeptieren, proaktiv ein Teil zu reparieren, bevor es ausgefallen ist.

Wartung ist besser als Reparatur

Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Internet- und IoT-Diensten hat die Transportindustrie mehrere Möglichkeiten, ihre Abläufe zu verbessern. Eine davon ist die vorausschauende Wartung. Diese Lösung kann Ausfallzeiten des Fahrzeugs verringern, Lagerung von Ersatzteilen optimieren und sogar Techniker durch den Reparaturprozess begleiten.

Um im vollen Umfang von PdM profitieren zu können, müssen Sie einige interne Änderungen vornehmen. Aber das allein reicht nicht aus. Das gesamte Transportökosystem muss sich anpassen. Ein Beispiel: Hersteller müssen ihre Garantieanforderungen entsprechend ändern, um den Austausch gefährdeter Teile noch vor dem Ausfall zu ermöglichen. 

Diese Änderungen brauchen Zeit. In der Zwischenzeit kann es dennoch günstiger sein, ungeachtet der Garantieanforderungen einen Teil, der voraussichtlich in absehbarer Zeit kaputt gehen wird, zu ersetzen, als den LKW später zur Reparatur aus dem Betrieb zu nehmen. Wartung ist bereits jetzt effizienter als Reparatur.