Internet of Behavior in der Pandemie: Neue Chancen für Unternehmen

Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Gartner bezeichnet das Internet of Behavior (IoB) in einer aktuellen Prognose als Top-Trend für 2021. Beim IoB stehen der Mensch und sein Verhalten im Mittelpunkt. Dabei spielen Technologien wie Gesichtserkennung oder Standortlokalisierung eine entscheidende Rolle. Die gesammelten Daten werden mit Gerätenutzung, Kaufhistorie und anderen Handlungen des Nutzers abgeglichen. Diese Informationen werden genutzt, um menschliches Verhalten zu verstehen, Marketingstrategien zu verbessern und neue Produkte einzuführen. Bis 2026 wird voraussichtlich mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung durch mindestens ein IoB-Programm erfasst werden, so Gartner.

Das Internet of Behavior im Überblick

Das Internet of Behavior stellt eine Weiterentwicklung des Internet of Things dar und kombiniert Technologie, Datenanalyse und Verhaltenswissenschaft. Ein Beispiel sind Lösungen für die Telemedizin. Eine Gesundheits-App zeichnet z. B. individuelle Daten wie Herzfrequenz, Schlafmuster und Blutzuckerspiegel auf und fördert gesundheitsbewusstes Verhalten. Auch in der Automobilindustrie kommt IoB zum Einsatz. Informationen über Fahrverhalten können den Herstellern dabei helfen, ihre Motoren und Sicherheitsstandards zu verbessern.

Mit IoT-Lösungen können Unternehmen Kundenentscheidungen beeinflussen. Wertvolle Erkenntnisse über Verhaltensweisen und Präferenzen der Nutzer ermöglichen es, personalisierte Inhalte einzuführen und Werbekampagnen zielgerichtet zu planen. Auch strategisch gesehen lohnt es sich, IoB im Auge zu behalten: Mit den durch IoB erworbenen Daten lassen sich Messaging-Strategien verbessern und die Effektivität von Marketingaktivitäten bewerten. Sogar neue Produkte und Dienstleistungen können auf Grundlage der erhobenen Daten konzipiert werden.

Einsatzmöglichkeiten für das Internet of Behavior

Sicherheit am Arbeitsplatz. Lösungen wie Systeme zur Gesichtserkennung wirken sich positiv auf die Sicherheit in Bürogebäuden aus. Außerdem kann das IoB Verhaltensmuster von Mitarbeitern aufdecken und ihr Verhalten auf eine bestimmte Weise beeinflussen. Um Personen ohne Zugangsberechtigung von Mitarbeitern und Besuchern zu unterscheiden, setzte Intel eine Lösung zur Gesichtserkennung ein. Ein weiteres Beispiel: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC führte ein Tool zur Gesichtserkennung für Finanzinstitute ein. Normalerweise werden Händler und Mitarbeiter im Kundenkontakt auf dem Börsenparkett aus Sicherheitsgründen überwacht. Mit dem neuen Tool ist es auch unter aktuellen Bedingungen, im Home-Office, möglich, Mitarbeiter aus der Ferne zu beaufsichtigen.

Marktforschung. Das Internet of Behavior hat das Potenzial, zahlreiche Kundenbefragungen zu ersetzen. Von der Wahl der Speisen bis hin zu Einkäufen in Online-Shops – Apps können verschiedene Informationen über Aktivitäten der Nutzer speichern und so riesige Mengen an Echtzeitdaten zur Analyse einbringen. Dank dieser Daten können bestehende Produkte und Dienstleistungen verbessert und neue entwickelt werden.

Vorhersagen und Warnmeldungen. Sensoren an Uhren, Autos und anderen Objekten stellen neue Datenquellen dar. Gesundheits-Apps ersetzen zwar keinen Arzt oder Fitnesstrainer, aber können mithilfe von Sensordaten Hinweise auf bestimmte Gesundheitsprobleme erkennen. Sensoren im Fitness-Tracker mit Brustgurt und Gyroskop überwachen mehrere Gesundheitsparameter gleichzeitig. So funktioniert auch intelligente Sportbekleidung, die die Herzfrequenz, die tägliche Schrittzahl und den Kalorienverbrauch misst. ML-Algorithmen sammeln diese Daten, analysieren sie und sagen Gesundheitsrisiken vorher. So wird der Nutzer rechtzeitig gewarnt.

Reise-Apps wie Booking sammeln Daten über Erfahrungen ihrer Nutzer in Bezug auf Reiseziele, besuchte Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten, an denen sie teilgenommen haben. Datensätze über Nutzerverhalten helfen Unternehmen, vorherzusagen, was ihre Kunden interessiert. Sie können so das Nutzererlebnis optimieren und relevante Produkte und Dienstleistungen anbieten.

Datenschutz und Sicherheit

„Datenschutz und Vertrauenswürdigkeit digitaler Systeme und smarter Produkte sind entscheidend für Innovationen.“ Günter Martin, Chief Technology Officer im Center of Excellence IoT Privacy bei TÜV Rheinland

Der Datenschutz im digitalen Zeitalter bleibt ein heiß diskutiertes Thema. IoB bietet Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, aber dass Daten missbräuchlich verwendet werden, bleibt ein Risiko. Eine mögliche Gefahr besteht darin, dass Nutzer womöglich keinen Einfluss mehr darauf haben, wer ihre Daten wie verwendet.

Videoüberwachungssysteme, die Gesichter erkennen, können helfen, unerwünschte Personen am Eindringen zu hindern. Doch wie werden die Rechte jedes einzelnen Menschen geschützt? In der Europäischen Union legt man großen Wert auf Datenschutz. Hier erstellen Anwenderunternehmen eine Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA) auf der Basis der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Folgende Anforderungen müssen dabei erfüllt werden:

  • Man muss die Einwilligung der Nutzer zur Verarbeitung personenbezogener Daten anfordern. Auch wenn es darum geht, Standortdaten der Geräte und ihrer Nutzer zu erheben.
  • Es muss den Nutzern ermöglicht werden, einzelne Funktionen der Datenverarbeitung zu erkennen und auszuschalten.
  • Sensible Daten müssen verschlüsselt werden.

Nutzerverhalten während der Corona-Pandemie

In Zeiten der Pandemie, in denen sich die Menschen an soziale Distanzierung und Isolation anpassen, müssen auch Unternehmen ihre Prioritäten neu setzen, übliche Praktiken ändern und in manchen Fällen ihre gesamten Geschäftsstrategien umgestalten.

Welchen Einfluss haben Technologien auf das Verhalten der Nutzer während der Corona-Pandemie?

Gesundheitsvorsorge und Symptomerkennung

IoT-Lösungen werden eingesetzt, um zu überprüfen, ob Mitarbeiter Masken tragen oder um Besucher mit erhöhter Körpertemperatur zu erkennen. Auf diese Weise wird der Zugang zu Gebäuden oder Sperrgebieten kontrolliert. Dank Standortlokalisierung in Echtzeit kann außerdem überprüft werden, ob die Nutzer die Lockdown-Regeln einhalten. Einige Unternehmen wechselten bei der Zugangskontrolle von Fingerabdruckscannern zu Gesichtserkennungstools.

In den USA und in Asien verbreiten sich Anwendungen zum Fieber-Screening immer weiter. In Europa war die Nutzung dieser Lösungen dagegen bisher aufgrund der Datenschutzverordnungen nicht möglich. Kentix präsentierte nun aber eine datenschutzkonforme IoT-Lösung – ein Selbstbedienungsgerät zur Messung der Temperatur. Bedienpersonal ist also nicht notwendig. Die Lösung basiert auf Deep-Learning-Algorithmen, die durch die Wärmebilder stets weiter lernen und den Prozess optimieren.

Ein weiterer Schritt nach vorne: Schweizer Programmierer entwickelten eine App, die mit künstlicher Intelligenz einen spezifischen Husten – und damit eines der Symptome von COVID-19 – erkennt. „Bei Corona-Husten misst man gewisse Frequenzen. Diese Töne machen den Unterschied aus, um zu erkennen, ob jemand an Corona erkrankt ist oder nicht,“ erklärt David Atienza, Elektroingenieur an der Hochschule EPFL im schweizerischen Lausanne. 

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Arbeit und Kommunikation

Mit der Anforderung, sich selbst zu isolieren, verschob sich jede Kommunikation mit Familie, Freunden und Kollegen ins Internet. Man musste von zu Hause aus weiter interagieren und berufliche Aufgaben erledigen. Dadurch entstand die Notwendigkeit, verschiedene private und geschäftliche Anwendungen zur Kommunikation zu nutzen. Lösungen für Videokonferenzen erfreuten sich großer Beliebtheit, gleichzeitig stieg aber auch die Nachfrage nach der Qualität der Anrufe. Im April 2020 verzeichnete Zoom 300 Millionen Meeting-Teilnehmer täglich, was einer 30-fachen Steigerung der Nutzerzahlen im Vergleich zum Dezember 2019 entspricht.

Im Zeitalter der Lockdowns stieg der Traffic durch Nutzung von Social-Media-Plattformen und Videokonferenzen an. Auch das Volumen von Online- und Cloud-Gaming nahm zu. Eine Umfrage von GlobalWebIndex ergab: Die Erstellung von Videos wurde durch den Corona-Ausbruch beschleunigt. Hauptverantwortlich für diesen Zuwachs ist die virale Video-Sharing-App TikTok, die 2020 einen enormen Anstieg an Nutzerzahlen verzeichnete. 

Unterm Strich

Das Internet of Behavior steckt noch in den Kinderschuhen, aber einige Unternehmen haben die Technologie bereits während der Corona-Pandemie eingesetzt. Das IoB bietet Unternehmen viele Vorteile: Es dient als Alternative zu Kundenbefragungen, zur Verbesserung der Marketing-Strategien, als Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte und vieles mehr. 

Im Jahr 2021 werden laut Gartner drei Trends den Ton angeben:

  1. Nutzerbedürfnisse stehen im Mittelpunkt.
  2. Unternehmen passen sich an die wachsende Unbeständigkeit an.
  3. Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten werden standortunabhängig unterstützt.

Das bedeutet: Wer das Potenzial des Internet of Behavior und die dadurch entstehenden Chancen nutzt ist im Wettbewerb klar im Vorteil.